Themen, Thesen und Ziele des Gender Initiativ Kollegs
Geschlechterperspektiven auf Gewalt und Handlungsmacht (agency) in einer globalisierten Welt konstituieren den Forschungsbereich dieses inter- und transdisziplinären Initiativkollegs (IK). Gewalt und Handlungsmacht in Globalisierungprozessen beinhalten ökonomische, politische, soziale, rechtliche, erkenntnistheoretische und kulturelle Dimensionen und erfordern historische wie auch normative Perspektiven.
Einer der zentralen Aspekte ist die Analyse der Überschneidung mehrfacher Differenzen und der Struktur von Ungleichheit, wie z. B. Geschlecht, Klasse, Ethnizität und Sexualität. Dieser Fokus des GIK reflektiert wesentlichen Arbeitsbereiche der Gender Studies an der Universität Wien und soll dazu beitragen, weitere Synergien in Forschung und Lehre zu erzeugen.
Gender Studies: Trans- und Interdisziplinarität, Intersektionalität
Gender Studies sind genuin durch Interdisziplinarität gekennzeichnet. Geschlecht ist eine wesentliche Kategorie in der Organisation menschlicher Gesellschaften. Geschlechterunterschiede wurden lange Zeit als natürliche Gegebenheiten betrachtet, die das Leben von Frauen und Männern, in der Regel durch institutionalisierte Geschlechterhierarchien, bestimmen. Feministische Theorien, Frauen- und Geschlechterforschung haben diese Annahmen mit einigem Erfolg infrage gestellt und politische Bewegungen initiiert, die auf die Auflösung männlicher Vormachtstellung in ihren mannigfaltigen Manifestationen – darunter vergeschlechtlichte Gewalt – abzielen. Geschlecht wird als eine Dimension von mehreren Herrschaftsvektoren konzeptualisiert, die sich überschneiden bzw. überkreuzen. Oder besser ausgedrückt: Ethnizität, Nationalität, Klasse, Religion und Sexualität sind grundlegende Komponenten von Geschlecht.
Die Epoche der Globalisierung
Globalisierungsprozesse haben ökonomische und soziale Beziehungen maßgeblich verändert, und sie machen neue Maßstäbe für Politik notwendig. Diese Prozesse haben auch neue Dynamiken von geschlechtsbasierter Gewalt freigesetzt, aber auch neue Formen von Handlungsmacht und Widerstand gegen Gewalt evoziert. Die Logik ökonomischer Globalisierung ist inhärent geschlechtsbezogen und arbeitet in vielerlei Hinsicht zum Nachteil von Frauen. Die Dynamiken globaler Umstrukturierungen werden durch die Beseitigung und Verschiebung sowie die Neuerrichtung von Grenzen zwischen der nationalen und internationalen Ebene angetrieben, aber auch durch Grenzverschiebungen zwischen den Sphären Ökonomie und Staat, Markt und Familie(-nökonomie) sowie zwischen den Dimensionen „öffentlich“ und „privat“. All diese (verlagerten) Grenzen sind für die grundsätzlich geschlechtlich strukturierten modernen Institutionen, für Geschlechterrollen, Geschlechterregimes und ihre globale Umstrukturierung, zentral.
Gewalt und Verletzlichkeit: global und lokal
Gewalt und ihre vernichtenden Auswirkungen auf die Handlungsmacht von Menschen sind ein entscheidender Faktor, der lokale, nationale und globale Geschlechterhierarchien stabilisiert. Es ist eine der zentralen Annahmen des GIK, dass sich neue Formen geschlechtlicher Gewalt, zusammen mit neuen Strategien des Widerstands und Empowerment, im Kontext globaler Umstrukturierungen ausbilden. Diese neuen Formen geschlechtsbezogener Gewalt müssen jedoch im Kontext patriarchaler Strukturen und den Traditionen von Gewalt gegen Frauen betrachtet und analysiert werden.
Gewalt ist ein facettenreiches Konzept, das sorgfältiger theoretischer Konzeptualisierung wie empirischer Untersuchung bedarf. Das Konzept Gewalt muss beispielsweise von Begriffen wie Macht, Herrschaft, Hegemonie, Zwang unterschieden werden, und die Implikationen von Gewalt für die Handlungsmacht von Individuen und Gruppen müssen mit größter Aufmerksamkeit für Kontext und Details analysiert werden.
Das GIK zielt auf die Analyse von Fragen der Gewalt und Handlungsmacht aus vier transversalen Perspektiven:
- die Rekonstituierung sich überkreuzender Beziehungen von Machtachsen wie Geschlecht, Klasse, Nation, Religion, Sexualität und Alter (Intersektionalität);
- die Etablierung und Restrukturierung von Gewaltprozesse und Handlungsmacht in verschiedenen sozialen Bereichen wie Gesellschaft, Politik, Ökonomie, Religion, kulturelle Repräsentation und rechtliche Umsetzung;
- der Einfluss kollektiv und individuell Handelnder wie auch deren lokale, nationale und globale Strategien der Mobilisierung, Organisation und Legitimierung;
- und die interdisziplinäre und transdisziplinäre Reformulierung theoretischer Konzepte und methodischer Zugänge in den beteiligten wissenschaftlichen Disziplinen.
Institut für Politikwissenschaft
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